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Herz und Verstand
Der Dramatiker Bernard Shaw lässt den selbstherrlichen Professor Higgins über die irrationalen Frauen lamentieren: »Can’t a woman learn to use her head?« Das Vorurteil von den rationalen Männern und den gefühlvollen Frauen hält sich hartnäckig.
Friedemann Schulz von Thun ist ein realer Kollege des fiktiven Henry Higgins. Er unterscheidet zwischen Angehörigen der kaufmännisch-technischen und der sozialen Berufe: »Nach meinem Eindruck liegt der Hauptunterschied in der Kommunikation gar nicht mehr zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen den Angehörigen verschiedener Berufsgruppen. Aufgrund meines häufigen Kontaktes mit Vertretern beider Subkulturen habe ich die unterschiedlichen Gesprächsformen und Kontaktmuster kennengelernt. Die ›Sozialen‹ können meist gut zuhören und auf den Gesprächspartner eingehen, auch auf das, was an Gefühlen zwischen den Zeilen mitschwingt. Auch was in ihnen selbst vorgeht, können sie ausdrücken und werden so als Mensch greifbar (und angreifbar). Hingegen tun sie sich auf den Bühnen der beruflichen Begegnung oft recht schwer, ein Rollenbewusstsein zu entwickeln und entsprechend zu kommunizieren. Es wäre übertrieben zu sagen, dass kommunikative Stärken und Schwächen der beiden Gruppen genau entgegengesetzt wären, aber tendenziell trifft es zu: War die authentische Begegnung von Mensch zu Mensch eine Domäne der sozialen Gruppe, so hat die kaufmännisch-technische hier am meisten zu lernen.«
Nicht nur die Kommunikation unterscheidet sich. Während die Wahrnehmungsfunktion des MBTIs beschreibt, wie jemand Informationen aufnimmt, geht es bei der Beurteilungsfunktion (T/F) um die Bewertung dieser Informationen und um Schlussfolgerungen daraus: Werden Entscheidungen eher mit dem Verstand (»Thinking«) oder eher mit dem Gefühl (»Feeling«) getroffen?
Analytische Entscheidungen sind unpersönlich und damit leicht nachvollziehbar. Gefühlsmäßige Entscheidungen sind dagegen von persönlichen Überzeugungen geprägt. In der Schule wirken sich diese Neigungen auf bevorzugte Unterrichtsfächer aus.
Beide Gruppen können einander ergänzen, wenn sie nicht übereinander lamentieren wie Professor Higgins, sondern voneinander lernen wie Professor Schulz von Thun vorschlägt: »Wichtig scheint mir, dass die Vertreter unterschiedlicher Stilwelten, wenn sie miteinander zu schaffen haben, von diesen Unterschieden wissen und dadurch einen Teil ihres wechselseitigen Befremdens abbauen können.«