unschlag.bar

Glücksspiel

Spiele werden vom Zufall entschieden oder vom Können der Mitspielenden. Doch selbst reine Glücksspiele können als Denksport dienen. Der britische Mathematiker Marcus du Sautoy widmet ein Kapitel seines Buches »Eine mathematische Mystery Tour durch unser Leben« dem Glücksspiel und schreibt: »Spiele werden durchweg von demjenigen gewonnen, dem es gelingt, einen mathematischen, analytischen Zugang zu ihren Abläufen zu finden.« 

Das Spiel Schere-Stein-Papier heißt in Japan »Jan Ken Pon« und in Korea »Kai Bai Bo«, folgt aber überall ähnlichen Regeln: Die Mitspielenden formen gleichzeitig die Hand zu einem von drei Symbolen: Zwei gespreizte Finger sind die Schere, eine Faust der Stein und die flache Hand das Papier.  

Schere schneidet Papier, der Stein zerbricht die Schere und das Papier wickelt den Stein ein. Damit ist es erstens ein Nullsummenspiel und zweitens intransitiv. 

Was bedeutet das?

Spielt man um Geld, dann ergeben bei Nullsummenspielen die Gewinne und Verluste zusammengenommen null.

Transitiv bedeutet, wenn das Papier der Größe DIN A3 größer ist als DIN A4 und DIN A4 größer ist als DIN A5, dann ist DIN A3 auch größer als DIN A5.

Der Blogger Sam Kass erweiterte das Spiel auf »Schere Papier Stein Echse Spock«, um es interessanter zu gestalten, doch auch bei diesem Spiel sind die Gewinne intransitiv. Der natürliche Feind der Echse ist der Stein, und Commander Spock wird von ihr vergiftet.

Marcus du Sautoy beschreibt eine Echsenart, die tatsächlich intransitiv überlebt: Die Echsen heißen Seitenfleckleguane und leben an der amerikanischen Westküste. Die blauen, gelben und orangefarbenen Männchen unterscheiden sich nicht nur in der Farbe, sondern auch in Größe und Stärke. Am kräftigsten sind die orangefarbenen Männchen, die ihre blauen Konkurrenten besiegen. Die blauen Männchen sind wiederum stärker als die gelben. So weit – so transitiv. Doch weil die gelben Männchen so klein sind, bemerken die orangefarbenen Männchen sie gar nicht, wenn sie ihr Revier und ihren Harem gegen Rivalen verteidigen. 

Orange schlägt Blau, Blau schlägt Gelb und Gelb schlägt Orange. 

Unklar ist jedoch, welche Rolle Commander Spock dabei spielt.

Inzwischen können Spieler*innen bei einer jährlichen Weltmeisterschaft 10.000 Dollar gewinnen. Wäre das Spiel nur vom Zufall abhängig wie ein Würfelspiel, dann wäre eine solche Weltmeisterschaft absurd. Jedoch geht es auch um Mustererkennung: Welche Strategie wählt mein Gegenüber?  

Der Wissenschaftspublizist Len Fisher hat sein Buch »Schere Stein Papier. Spieltheorie im Alltag« genannt und schreibt: »Der psychologische Reiz dieses Spiels besteht darin, dass beide Seiten das Gefühl der Kontrolle haben, weil sie zwischen den verschiedenen Zügen auswählen können. Das bedeutet: Wenn sie sich denken können, was ihr Gegner wahrscheinlich tun wird, dann können sie sich selbst stets für das Symbol entscheiden, mit dem sie gewinnen.« 

Hinter der Frage »Was wird mein Gegenüber tun?« steht also die Frage »Was glaubt mein Gegenüber, was ich tun werde?« und »Was glaubt mein Gegenüber, was ich glaube, was mein Gegenüber tun wird?«

Dass es sich um mehr als ein folgenloses Kinderspiel handelt, zeigt nicht nur der hochdotierte Weltmeistertitel. Als die Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s um Gemälde von Cezanne und van Gogh wetteiferten, sollte eine Runde Schere-Stein-Papier über die Versteigerungsrechte entscheiden. »Sotheby’s engagierte für viel Geld ein Analystenteam, das eine Siegstrategie entwerfen sollte. Die Experten gelangten zu dem Schluss, dass eine Zufallswahl so gut wie jede andere sei, da es sich um ein Glücksspiel handele. Man entschied sich für Papier. Christie’s fragte die elfjährige Tochter eines Angestellten, was sie tun würde. Ihre Antwort: ›Alle glauben, ihr werdet Stein nehmen, also wählen sie Papier. Ihr solltet daher Schere nehmen.‹ Christie’s gewann und sicherte sich die Auktion.« Da war zwar tatsächlich Glück im Spiel. Allerdings wird Schere laut Len Fisher bei Turnieren nur in 29,6 Prozent der Fälle gespielt, also etwas seltener, als bei reinen Zufallsentscheidungen zu erwarten wäre.

Die Entscheidung für Papier war statistisch gesehen sinnvoll. Das Honorar für die Experten hätte sich Sotheby’s dagegen sparen können. 

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