unverschieb.bar

Zeitdruck

Er liebt Bücher und verehrt alle, die sie schreiben. Chris Baty hält Autor*innen für eine erleuchtete Subspezies mit überentwickeltem Verständnis für die Menschheit und der außergewöhnlichen Fähigkeit, richtig zu buchstabieren. Das sei sogar ein Freibrief für schreckliche Kleidung und altmodische Frisuren. 

Da er sich wenigstens einen schwachen Abglanz davon wünschte, trommelte Chris Baty im Sommer 1999 einundzwanzig Bekannte zusammen: Sie alle planten, ihren ersten Roman zu schreiben, 50.000 Wörter in einem Monat. Niemand hatte Erfahrung im kreativen Schreiben, doch der Enthusiasmus der ersten Tage half ihnen, Protagonst*innen und einige Kapitel zu erschaffen. Sie erwarteten weiterhin Unterstützung durch ihre Musen, doch in der zweiten Woche hatten die offenbar Besseres zu tun. 

Nachdem sie ihre Begeisterung verbraucht hatten, erkannten sie, wie schlecht ihre Romananfänge waren. Die Hälfte der Teilnehmenden gab auf. In der Monatsmitte jedoch begannen die blassen und ziellosen Protagonist*innen, ein Eigenleben zu führen. Sie warteten nicht länger auf Regieanweisungen, sondern übernahmen die Show und überraschten ihre Schöpfer*innen. 

Auch das Monatsende motivierte. Chris Baty hält sogar Deadlines für eine Geheimwaffe. In der Schule und im Beruf müssen ständig Abgabetermine eingehalten werden, und den meisten gelingt das irgendwie. Dagegen fehlen sie in der Kunst oder Literatur, und das macht laut Chris Baty aus vielen kreativen Menschen »›one day‹ novelists. As in, ›One day, I’d really like to write a novel.‹«

Doch das Beste, was man tun kann, um das Schreiben zu verbessern ist… schreiben. 

Vielen fällt es schwer, etwas Neues zu beginnen – insbesondere wenn das Risiko besteht, Fehler zu machen und dumm zu wirken. Die ersten Entwürfe beim Schreiben sind jedoch garantiert voller Fehler und wirken dumm. Doch nichts davon ist von Dauer. Das ehrgeizige Ziel, 50.000 Wörter in einem Monat zu schreiben, lässt keine Zeit für Selbstzweifel und Korrekturen. 

Nachdem er die Chance hatte, sich rund um die Uhr seinem Roman zu widmen, stellte Chris Baty fest, dass er mehr schreibt, wenn er weniger Zeit hat. Er erklärt das mit Isaac Newton: Ein ruhendes Objekt bleibt in Ruhe und ein bewegtes Objekt bleibt in Bewegung.

In einem vollen Zeitplan wirkt das Schreiben wie ein Vergnügen. An einem freien Tag wird es eher zur Pflicht. 

Im Jahr 2000 verschob Chris Baty den National Novel Writing Month vom Sommer in den November, um das schlechte Wetter zu nutzen, das weniger vom Schreiben ablenkt.

Knappe Zeit, Deadlines und schlechtes Wetter wünscht sich kein Mensch. Dennoch sind sie womöglich die beste Motivation fürs Schreiben. 

Wir freuen uns auf Anregung und Empfehlungen von Lehrenden und Lernenden (wer ist das nicht?!) per Mail oder einfach hier im Kommentarfeld.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert