ungenieß.bar

Romanfiguren

Mit wem würde man gerne 30 Tage auf einem Kreuzfahrtschiff verbringen? Chris Baty erinnert in seinem Buch »No Plot – no problem« daran, wie lange sich die Teilnehmenden am National Novel Writing Month mit ihren Protagonistinnen und Protagonisten beschäftigen werden. Keinen Plot zu haben, sei kein Problem, wie der Name des Buches verspricht. Der Plot entstehe quasi von selbst, sobald die Figuren das Licht der Schreibtischlampe erblicken. »Plot Happens«, lautet eine ermutigende Überschrift.

Der ominöse ›Plot‹ sei dann nichts anderes als die Entwicklung der Figuren im zeitlichen Verlauf der Geschichte. Das bedeutet eine Plotgarantie, sofern die Figuren stimmen. Würde man sich am Buffet des fiktiven Kreuzfahrtschiffes mit ihnen unterhalten wollen? Einen ganzen Monat lang? Selbst die Bösewichte sollten interessant genug sein, um mit ihnen täglich Champagner zu schlürfen und sie auszufragen.

Chris Baty schlägt eine einfache Übung vor, um herauszufinden, was in die eigene Geschichte gehört und was nicht: Worüber liest man selbst gerne? Das bezieht sich auf die Figuren ebenso wie auf das Setting, die Perspektive und den Stil. Beispielsweise bevorzugt Chris Baty skurrile Charaktere, starke und charismatische Protagonist*innen, die aus der Ich-Perspektive erzählen, eine städtische Kulisse, Cliffhanger am Ende der Kapitel und einen glücklichen Ausgang des Buches. Wer all das mag, hat vermutlich auch Talent und Freude, so zu schreiben.

Ganz anders ist es beim unsympathischen aber ebenso wichtigen Zwilling dieser Liste: Was langweilt und frustriert beim Lesen? Diese Ärgernisse werden kaum die Schreibmoral heben. Es überrascht nicht, dass Chris Batys Negativliste Bücher enthält, die auf einer Farm spielen und unglücklich enden.

Doch ist es wirklich nötig, sich an die eigenen Abneigungen zu erinnern? Schreiben nicht alle Autor*innen das, was sie selbst gerne lesen würden? Das erscheint naheliegend, doch erstaunlicherweise sind es gerade die langweiligen und frustrierenden Elemente, die als Zeichen von anspruchsvoller Literatur gelten. Chris Baty vergleicht das mit dem Glauben, ungenießbare Frühstücksflocken wären automatisch gesund, und was gesund ist, könnte keinesfalls gut schmecken.

Daran glaubt Chris Baty nicht, sondern plädiert dafür, in charismatischer Gesellschaft Süßigkeiten zu genießen, statt sich auf einer Farm mit Weizenkleien zu quälen.

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