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Unverständlichkeit

Kleingedrucktes ist schwer lesbar, und das ist beabsichtigt, denn dort verstecken sich Informationen, die überlesen werden sollen.

Unverständliches ist schwer lesbar, und das kann ebenfalls beabsichtigt sein. Die Gründe sind vielfältig. Der Soziologe Ralf Dahrendorf argwöhnt, mit hochtrabendem Gerede solle »wissenschaftliche Impotenz kompensiert« werden und der Journalist Wolf Schneider schreibt: »Man grenzt sich ab von jenen da, die sich nur in schlichtem Deutsch ausdrücken können; man spürt einen Abglanz der diebischen Freude jener Schülerclique, die eine Geheimschrift erfunden hat, so dass sie imstande ist, das Gros der Klasse von der Kommunikation auszuschließen. Mit bombastischen Wörtern kann man Laien einschüchtern und mit pompösem Wortgeklingel wappnen sich die Experten gegen den Verdacht, sie hätten vielleicht nichts Besonderes zu sagen.«

Der Psychologe Friedemann Schulz von Thun überlegt: »Nie weiß man so ganz genau, ob die mangelnde Allgemeinverständlichkeit ›in der Natur der Sache‹ begründet liegt, ob eine unterentwickelte Kommunikationsfähigkeit der Autoren vorliegt oder ob ein Stück Imponiergehabe der Fachleute eine Rolle spielt, das auf die Ehrfurcht des unkundigen Empfängers abzielt. Jedenfalls sind weite Kreise der Bevölkerung, insbesondere sprachlich benachteiligte Gruppen mit Volksschulbildung, ständig Misserfolgserlebnissen ausgesetzt: Sie verstehen wenig, werden mutlos und lassen schließlich ›die Finger davon‹ d.h., sie geben den Wunsch, sich zu informieren, allmählich auf. Diese Erscheinung passt nicht in die Demokratie. Mündig ist nur, wer sich informieren kann. Hinzu kommt, dass die Empfänger meist sich selbst für dumm halten, so dass schwer verständliche Information nicht nur nicht informiert, sondern darüber hinaus das Selbstwertgefühl des Empfängers beschädigt. Was muss getan werden? Sender und Empfänger müssen beide lernen. Der Empfänger muss vor allem lernen, die Ehrfurcht zu verweigern und selbstbewusst auf seinem Recht auf verständliche Information bestehen.«

In der Schule wird das nicht gelehrt. »Nur die Schule hat’s bis heute nicht begriffen, ja wir haben das genaue Gegenteil gelernt: schwierige Texte so oft zu lesen oder so hartnäckig zu analysieren, bis wir sie verstanden hatten.« (Wolf Schneider)

Unverständliche Sachtexte grenzen aus. Unverständliche Literatur kann dagegen weggelegt werden, sobald die Schulpflicht endet. Der Schriftsteller Ludwig Reiners vermutet: »Der Schachtelsatz entspringt verschiedenen Quellen: Bei den Gelehrten ist es die Verachtung gegenüber dem Leser, bei anderen die Zuchtlosigkeit des Denkens. Der Schreiber ist nicht imstande, jeden Gedanken erst zu Ende zu denken und zu schreiben; er fällt sich vielmehr selbst ins Wort, schiebt einen Einfall dazwischen und überlässt es dem Leser, alle angefangenen Gedanken im Kopf zu behalten. Der Leser ist klüger und klappt das Buch zu.«

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