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laterales Denken

Die schlechte Nachricht: Das Gehirn, sagte der maltesische Kognitionswissenschaftler Edward de Bono, habe vor allem die Aufgabe, brillant unkreativ zu sein. Unser Gehirn? Ist unkreativ?

Ja, ist es: Das Denken habe den Zweck, vertraute Muster zu finden, um sich dadurch weiteres Denken zu ersparen. Im Alltag klappt das ziemlich gut. Das Erkennen von Mustern funktioniert quasi automatisch und ohne besondere Anstrengung. Doch was passiert, wenn wir falschen Mustern folgen? Ist dann die Intelligenz behilflich, den Fehler zu erkennen und zu beheben?

Nein, ist sie nicht: Edward de Bono spricht von der »Intelligenzfalle«: Da es für einen intelligenten Menschen so einfach sei, seine Meinung zu verteidigen und andere zu widerlegen, halte er es selten für nötig, ihnen zuzuhören und Alternativen zu bedenken. Das verschaffe ihm unmittelbare Erfolge, verhindere aber die notwendige Korrektur. »Die absurde westliche Auffassung, ›kritisches Denken‹ sei genug, verschlimmert die Situation weiter.«

Das Wort »kritisch« geht auf das griechische »kritikós« (entscheidend) zurück und ist das Gegenstück zum schöpferischen Denken, das neue Ideen hervorbringt. »Sechs brillante, gut ausgebildete Denker an einem Tisch kommen erst dann weiter, wenn einer von ihnen einen konstruktiven Vorschlag macht. Den können dann alle kritisieren.«

Doch vor allem das Kritisieren werde gelehrt und praktiziert: »Unsere Philosophie und unsere Praxis sind besessen vom ›Konfrontationssystem‹, in dem zwei gegensätzliche Meinungen gegeneinander kämpfen. Wir glauben wirklich daran, dass beim Aufeinanderprallen gegensätzlicher Meinungen die bessere gewinnt. Das Konfrontationssystem hat viele Nachteile. Wenn eine Seite angreift und die andere sich verteidigt, werden beide immer starrer und unfähig, sich weiterzuentwickeln. Die Notwendigkeit anzugreifen und abzuwehren verhindert effektives Denken.«

Edward de Bono prägte als Gegenentwurf zum kritischen Denken den Begriff »laterales Denken«. Damit meinte er eine veränderte Wahrnehmung, die neue Ideen ermögliche. Das laterale Denken ähnelt der Kreativität, die die Welt aus einem speziellen Blickwinkel wahrnimmt und schöpferisch ausdrückt. Es ändert darüber hinaus den Blickwinkel. Da das Wort »kreativ« ein positives Werturteil beinhaltet, klingt die Behauptung so schroff, unser Gehirn sei unkreativ.

Laterales Denken ist dagegen wertneutral. Jeder Blickwinkel ist nur einer von vielen möglichen. Der Begriff »lateral« hat keinen griechischen, sondern einen lateinischen Ursprung und bedeutet »seitlich«. Damit unterscheidet sich das laterale, sprunghafte Denken vom linearen, folgerichtigen Denken. Jahrelang wurde es mit »Querdenken« umschrieben, bis der Begriff gar nicht mehr wertneutral war.

Im Rückblick erscheint jede anerkannte Idee vernünftig. Doch diese Idee wäre innerhalb des alten Musters und nur mit Vernunft nicht möglich gewesen.

Die gute Nachricht: Laterales Denken lässt sich üben – beispielsweise mit lateralen Geschichten. Und die sind sogar ausgesprochen unterhaltsam.

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