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Rechtschreibwettbewerb
Klagen über den Niedergang der Rechtschreibung haben eine lange Tradition. Wenn tatsächlich jede Generation schlechter schriebe als die vorherige, wäre die Orthographie wohl schon ausgestorben wie die Dinosaurier. Quasi ein Orthosaurus. Und ist Rechtschreibung nicht sowieso völlig passé? Oder »passee«, wie es zwischen der Reform der Rechtschreibung und der Reform der Rechtschreibreform hieß.
Oberlehrerhaft, pingelig, kleinkariert… diese Klischees kennen die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion »Warum es nicht egal ist, wie wir schreiben«. Rechtschreibung sei einfach kein Partythema, bedauert die Schulentwicklerin Ulrike Holzwarth-Raether und wünscht sich mehr Sportsgeist, die Sprache in den Griff zu bekommen.
Auch Peter Gallmann, Professor für deutsche Sprache der Gegenwart, vergleicht Rechtschreibung mit Sport: »Man muss vermitteln, dass es sich lohnt, sich anzustrengen für die Rechtschreibung. Genauso wie es sich lohnt, sich dafür anzustrengen, ein guter Sportler zu werden: Das kommt nicht von selbst, es ist mühsam und man hat häufig Krisen. Bei Rechtschreibung gerät der Preis, den man mit der Anstrengung gewinnt, vielleicht zu häufig aus dem Blick.«
Albert Einstein soll gesagt haben: »Wissen heißt wissen, wo es geschrieben steht.« Also genügt im Alltag ein Duden in Reichweite der eigenen Arme und Einsicht in die Reichweite der eigenen Rechtschreibkenntnisse.
Die Leiterin der Dudenredaktion Kathrin Kunkel-Razum wird häufig gefragt, ob sie selbst zum Duden greife. »An der Stelle sage ich immer: ›Wir sind wahrscheinlich die besten Nutzer unserer Werke‹: Je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr Fragen gibt es natürlich auch.«
Kinder dürfen das während ihrer Diktate nicht. Auch manche Erwachsene haben den sportlichen Ehrgeiz, ohne Duden und ohne Korrekturprogramm fehlerfreie Texte zu schreiben. Für diese Hobby-Richtigschreibenden bietet seit 2012 die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main Rechtschreibwettbewerbe. Die Wettbewerbe beinhalten die Möglichkeit, Diktate in drei Schwierigkeitsstufen zu üben und auch die Notwendigkeit, die eigenen Ansprüche herunterzuschrauben.
Den Organisator*innen ist es stets gelungen, die Diktate so anspruchsvoll zu formulieren, dass sie bisher niemand perfekt schreiben konnte. Die Urkunden und Medaillen bekommen also die Teilnehmenden mit der geringsten Fehlerzahl verliehen, zuletzt zwischen Dinosauriern im Frankfurter Senckenberg-Naturmuseum. Der außergewöhnliche Ort wurde passend zum Diktat von »Frankfurt schreibt!« gewählt: Darin erzählt ein Edmontosaurus aus seinem Leben im Museum zwischen Tyrannosaurus rex und Goliathkäfern.
Am Onlinewettbewerb »Deutschland schreibt!« vom 23. bis 26. Juni 2022 können Interessierte ohne Anmeldung teilnehmen: Eltern, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Menschen, die unabhängig vom institutionellen Rahmen beweisen wollen, wie lebendig Rechtschreibung ist.
Das Foto zeigt Anne Bachmann und Oliver Beddies mit den Gewinnerinnen und Gewinnern von »Frankfurt schreibt!« und berühmten Bewohnern des Senckenberg-Naturmuseums
©Stiftung Polytechnische Gesellschaft/Dominik Buschardt