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Barrierefreiheit

Der Politikwissenschaftler Domingos de Oliveira schreibt: »Ich bin von Geburt an blind und biete seit vielen Jahren Trainings, Schulungen und Beratung zur Barrierefreiheit im Internet.« Dem Online-Redakteur gelingt es, unterschiedliche Barrieren differenziert darzustellen und Lösungen anzubieten, von denen alle profitieren.

Doch was bedeutet Barrierefreiheit überhaupt? Breite Aufzüge und eine Rampe am Bahnhof natürlich. Gut lesbare Anzeigen helfen, verständliche Durchsagen helfen und beides zusammen erfüllt das Mehrkanal-Prinzip, das bedeutet: Eine Information ist für mindestens zwei Sinne wahrnehmbar. Oder eine Handlung ist auf mindestens zwei Arten zu erledigen. Die Zugauskunft kann angerufen oder angeschrieben werden. Für Webseiten ist das ebenso wünschenswert:

Alle Besucher*innen sollen in der Lage sein, selbständig und ohne fremde Hilfe zurechtzukommen. Das gelingt eher, wenn Seiten nicht nur mit der Maus, sondern auch mit der Tastatur bedient werden können.

Barrierefreiheit sei »Service für den Nutzer und keine großzügige, aber verzichtbare Geste. Sie sollte als Teil guten Handwerks und nicht als Wohltätigkeit verstanden werden«, schreibt Domingos de Oliveira in seinem Buch »Barrierefreiheit im Internet«.

Völlig barrierefrei lässt sich das Internet kaum gestalten, doch schon einfache Änderungen machen es zugänglicher.

Farben können eine Seite verschönern oder die Aufmerksamkeit lenken. Mit der Graustufenansicht kann man prüfen, ob die Aussage einer Grafik auch ohne Farben verständlich ist. In Kreisdiagrammen werden die Sektoren unterscheidbarer, wenn sich helle und dunkle Farben abwechseln. Das kostet weder Geld noch Mühe. Doch dann sind sie auch für Menschen mit Farbenblindheit oder Rot-Grün-Blindheit verständlich.

Sorgfältige Webdesigner*innen überprüfen die Ansicht nicht nur am großen Bildschirm, sondern wollen auch wissen, wie ihre Seite auf dem Smartphone aussieht. Ebenso ist es möglich zu hören, wie sie klingt, wenn man sie vom Bildschirmleseprogramm vorlesen lässt, das Nutzer*innen mit Sehschwäche verwenden.

Für sie gelten die Empfehlungen für den Hörfunk, die der Journalist Wolf Schneider zitiert: »›Zurückblättern, Nachlesen, Nachschlagen in Wörterbüchern – lauter Handlungen, die von Zeitungslesern erwartet werden – sind durch die spezielle Hörsituation ausgeschlossen‹, schrieben zwei Schweizer Medienexperten 1986 in einem Handbuch für Funkjournalisten.«

Wolf Schneider hält nichts von dieser Unterscheidung zwischen Funk und Druck:

»Handlungen, die vom Zeitungsleser erwartet werden! Wer erwartet da? Kennt einer irgendjemanden, der sich seiner Zeitung gegenüber so verhalten hätte? Ist es zumutbar oder gar erstrebenswert, dem Leser jene Arbeit aufzubürden, die zu leisten der Schreiber offensichtlich zu träge war? Ist der Leser ein Affe, der sich gutmütig, ja begeistert an jenem Schlinggewächs zurückhangeln soll, das der Schreiber ihm um die Ohren geschlagen hat? Im Effekt besteht zwischen Lesern und Hörern totale Übereinstimmung: Der Hörer kann nicht zurückhören – der Leser will nicht zurücklesen; für beide gibt es nur eine Richtung: voran. Und beide haben recht.«

Domingos de Oliveira empfiehlt: »Vermeiden Sie eingeschobene Nebensätze, weil sie den Leser vom Kern des Satzes ablenken. Entweder ist die Aussage wichtig genug, um in einen Hauptsatz gepackt zu werden oder sie kann gestrichen werden.«

Ein Vergrößerungsprogramm hilft beim Erkennen der Buchstaben, vermindert aber die Lesegeschwindigkeit. Dann ist es für das Arbeitsgedächtnis besonders mühsam, Schachtelsätze und doppelte Verneinungen zu überbrücken. Lesefreundlich sind diese Einschübe für niemanden.

Wilhelm Busch dichtete:

»Er sagt es klar und angenehm,
Was erstens, zweitens, drittens käm.«

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