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Theory of Mind
Die Titelfigur der amerikanischen Krimiserie »Monk« befragt den zweijährigen Zeugen Tommy: »Hallo, mein Name ist Adrian Monk. Ich arbeite mit der Polizei zusammen. Im Prinzip bin ich als Berater tätig. Als Spezialist, gewissermaßen als Instrukteur.« Sein Vorgesetzter unterbricht ihn: »Monk, nicht mal ich weiß, was ein Instrukteur ist.«
Adrian Monk ist ein genialer Instrukteur. Perspektivübernahme gehört jedoch nicht zu seinen Stärken.
Die Fernsehserie stellt überspitzt die Schwierigkeit dar, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Was wissen sie bereits, welche Informationen fehlen ihnen noch und was können sie verstehen?
Adrian Monk überschätzt seinen kleinen Zeugen und dessen Wortschatz. Beim Mansplaining passiert das Gegenteil – wenn etwa einer Expertin ihr eigenes Fachgebiet erklärt wird.
Im Gespräch zwischen Menschen mit unterschiedlicher Muttersprache spielt die Perspektivübernahme ebenfalls eine entscheidende Rolle. Andernfalls werden hochgebildete Expert*innen in ihrer Zweitsprache übersimplifiziert und infantilisiert angeredet. Auch Lautstärke oder falsche Grammatik helfen nicht beim Verständnis:
Du nicht schreien, sie nicht schwerhörig!
Vera Birkenbihl erinnerte in ihrem Buch »Sprachenlernen leichtgemacht« daran, dass Sprachenlernende keine »ungebildeten Halbidioten« sind.
Während Empathie bedeutet, sich in den emotionalen Zustand der anderen einzufühlen, geht es bei der »Theory of Mind« darum, über die mentalen Zustände der Mitmenschen nachzudenken. Die Alltagserfahrung zeigt, dass sich Menschen deutlich in ihrer Fähigkeit und Bereitschaft unterscheiden, die Perspektive ihres Gegenübers einzunehmen. Doch wie lässt sich das erforschen?
Die Forschung zur Theory of Mind wollte die Frage klären, wer sich selbst und anderen überhaupt mentale Zustände zuschreiben kann. Die erste Versuchsperson im Jahr 1978 war die vierzehnjährige Sarah, die in kurzen Videosequenzen Handlungsabsichten der gezeigten Menschen erkannte.
Diese Leistung wirkt noch beeindruckender, wenn man bedenkt, dass Sarah eine Schimpansin war. Sie konnte zwar nicht sagen, welche Absichten sie vermutete. Doch sie deutete auf Fotos, die passende Hilfsmittel zeigten, zum Beispiel auf einen Schlüssel, der helfen könnte, eine versperrte Tür zu öffnen.
Für Menschenversuche hat sich die Geschichte von Sally und Anne bewährt, die Kindern entweder erzählt oder vorgespielt wird. Als Requisiten dienen ein Ball, ein Korb und eine Schachtel. Sally legt den Ball in den Korb und verlässt den Raum. Anne nimmt den Ball aus dem Korb und legt ihn in die Schachtel. Bei Sallys Rückkehr werden die Kinder gefragt, wo sie den Ball suchen wird. Kleine Kinder tippen auf die Schachtel, größere Kinder auf den Korb.
Zur Kunst des Erklärens gehört die Überlegung, wer etwas weiß oder nicht weiß. Sally kann nicht wissen, dass der Ball in der Schachtel liegt. Anne dagegen hat ihn selbst dorthin gelegt und benötigt keine Erklärung. Der gleiche Sachverhalt muss den beiden also unterschiedlich erklärt werden.
Für Jugendliche und Erwachsene wurden weitere Stufen der kognitiven Perspektivübernahme hinzugefügt:
Anne weiß, wo der Ball ist.
Sally denkt, dass Anne weiß, wo der Ball ist.
Anne erkennt, dass Sally denkt, dass Anne weiß, wo der Ball ist.
Sally vermutet, dass Anne erkennt, dass Sally denkt, dass Anne weiß, wo der Ball ist.
Irgendwann wird es dann so kompliziert, dass ein Instrukteur nötig ist – was immer das auch sein mag.