festleg.bar

Absicht

Lebensberatung per SMS gibt es nicht alle Tage. Es war aber auch ein besonderer Tag, an dem die Professorin für Lehr-und Lernforschung Michaela Brohm ihrer ziellosen Freundin schrieb: »Wenn du alles nimmst, wie’s kommt, musst du halt nehmen, was kommt! Wär es nicht schöner, es würde kommen, was DU nehmen willst?«

Ob die Freundin diese Silvester-SMS beherzigte, bleibt offen. Außerhalb der Weihnachtsferien unterstützt Michaela Brohm Lehrende dabei, Lernende bei der Zielerreichung zu unterstützen. In ihrem Buch »Motivation lernen. Das Trainingsprogramm für die Schule« muss sie sich nicht auf 160 Zeichen beschränken wie bei einer SMS, um ihr reichhaltiges kognitiv-verhaltensorientiertes Trainingsprogramm zu beschreiben. Neben der Forschung zur Zielerreichung stellt sie darin den beeindruckenden Zielerreicher Heinrich Schliemann vor:

Von seiner schwachen Gesundheit lässt sich der kleine Heinrich ebenso wenig entmutigen wie von der Armut der kinderreichen Familie, die das Schulgeld für ihn nicht bezahlen kann. Schon als Achtjähriger beschließt er, die versunkene Stadt Troja zu finden. Dieses Ziel erreicht er 43 Jahre später über zahlreiche Umwege, eine Lehre zum Handelsgehilfen in einem brandenburgischen Krämerladen, eine Buchhalterstelle in Amsterdam, Handelshäuser in St. Petersburg und Moskau, eine Bank für Goldgräber in Kalifornien. Dass er anschließend 16 Sprachen spricht, genügt ihm noch nicht: In Paris studiert er alte Sprachen, Türkisch und Arabisch und reist schließlich nach Troja.

Die wahre Geschichte von Heinrich Schliemann wirkt wie ein modernes Märchen. Nach seinem Erfolgsrezept gefragt, antwortet er jedoch gar nicht märchenhaft: »Talent bedeutet Energie und Ausdauer. Weiter nichts.«

Mit diesen zeitlosen und bodenständigen Zutaten lassen sich auch heute noch Ziele erreichen. Die Teilnehmer*innen des Trainingsprogramms werden gebeten, sich eine bewunderte Person auszuwählen, persönlich bekannt oder prominent, und die Frage zu beantworten: »Was glaubst du, warum diese Person so leistungsstark ist?«

Anschließend geht es um die eigenen Wünsche. Das klingt schon eher nach einer Fee mit Zauberstab. Damit aus hochfliegenden Wünschen erreichbare Ziele werden, müssen sie mehrere Merkmale erfüllen und werden entsprechend umformuliert, ganz verbindlich und schriftlich. Das erste Merkmal eines Ziels lautet nämlich: Ziele werden schriftlich festgehalten.

Das zweite Merkmal macht den Unterschied zum Wünschen besonders deutlich. Ziele lassen sich nur selbst erreichen, denn ohne Zauberstab wäre es schwierig, andere gegen ihren Willen in die eigene Geschichte einzubauen. Michaela Brohm drückt das schonungslos aus: »Wenn es zum Beispiel dein Ziel sein sollte, dass sich Laura in dich verliebt oder Felix dich wieder liebt (nach all den Monaten), dann liegt das nicht in deiner Macht. Es ist ein Ziel, das eine bestimmte andere Person in den Mittelpunkt rückt. Dieses Ziel kann aber im Gegensatz zu den Zielen der anderen Menschen stehen (wahrscheinlich geht Laura längst mit Felix).« Schade – Märchen hören anders auf, da gibt es immer ein glückliches Ende und alle Protagonist*innen spielen mit.

Klare und konkrete Ziele sind das dritte Merkmal und ebenfalls nicht besonders märchentauglich: »Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage« müsste jedenfalls in konkrete Teilziele zerlegt werden: Du willst den Königssohn oder die Königstochter und das halbe Königreich dazu? Wann findet die Hochzeit statt und wie groß soll das Königreich sein? Damit erfüllt das Ziel weitere Merkmale, denn es ist messbar und hat einen Termin. Save the Date! Der Endtermin liegt zwar in der Zukunft, aber es ist geschickter, die Ziele in der Gegenwart und außerdem positiv zu formulieren. »Ich werde nicht mehr auf sprechende Wölfe hören« wäre also ungeeignet.

Das letzte Merkmal »Ziele sind realistisch, aber herausfordernd« ist in der Tat realistisch, aber herausfordernd. Anspruchsvolle Ziele erhöhen die Motivation, unerreichbare Ziele zerstören sie. Manchmal reicht es, die vorgesehene Zeitspanne zu verlängern, um aus einem unrealistischen Ziel ein realistisches zu machen. Umgekehrt wird ein lahmes Ziel ehrgeiziger, wenn die Zeit knapp ist.

Dann beginnt das Handeln. Der Motivationsforscher Heinz Heckhausen nannte diese Phase die »volitionale Intentionsrealisierung«, die auf die »volitionale Intentionsinitiierung« folgt. Volitionale WAS? In Kleingruppen sammeln die Schüler*innen geeignete Anfeuerungssprüchen. Wen also »Frohe volitionale Intentionsrealisierung!« nicht überzeugt, kann auf das bewährte »Hammersbald?« zurückgreifen.

Doch wenn jemand diese Anfeuerung per SMS erhält, sollte sie gar nicht ankommen, denn das Handy wird jetzt natürlich wie alle übrigen Störquellen abgeschaltet. Hammersbald?

Wir freuen uns auf Anregung und Empfehlungen von Lehrenden und Lernenden (wer ist das nicht?!) per Mail oder einfach hier im Kommentarfeld.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert