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NaNoWriMo Tag 14

Es fängt vielversprechend an: Vielleicht trifft man eine außergewöhnliche Person, die wie geschaffen ist für einen verdammt guten Roman. Ein passender Konflikt und eine Prämisse sind schnell gefunden, der Roman nimmt seine Form an (eine verdammt gute Form natürlich) und muss nur noch ein wenig überarbeitet werden.

Bei fremden Texten ist es einfach, die Schwachstellen zu erkennen, doch James N. Frey hält es für nahezu unmöglich, eigene Texte objektiv zu beurteilen. »Klischees sind in den Büchern aller anderen reichlich vorhanden, doch bleiben sie Ihnen in Ihrem Buch für immer verborgen. Und wenn Sie viel Talent haben, selbst wenn Sie ein echtes Genie sind, wird alles nur noch schwieriger. Warum ist das so? Das weiß allein der Herr des Universums, der uns geschaffen hat, aber es stimmt.«

Ein pessimistisches Urteil vom Verfasser des Buches »Wie man einen verdammt guten Roman schreibt«. Also müssen objektive Kritiker*innen her.

»Wenn Sie den ersten Entwurf Ihres Romans beendet haben und ihn Ihrer Mutter geben, wird sie begeistert sein. Ebenso Onkel Harry. Ihren Freunden wird er gefallen, und man wird Sie aufziehen mit den Millionen, die Sie verdienen werden.«

Vielleicht ist ja eine Autorengruppe die Lösung? Laut James N. Frey gibt es enthusiastische, literarische und destruktive Gruppen.

Die enthusiastischen Gruppen bestehen quasi aus lauter wohlmeinenden Onkel Harrys, die Kaffee und Kuchen mitbringen und ausdauernd loben. Zwar ist es ermutigend, diese Gruppen zu besuchen, doch helfen sie nicht beim Verbessern der eigenen Texte.

Literarische Gruppen vergleichen gerne jeden Entwurf mit Werken der Weltliteratur, und dazu gibt es Brie und Weißwein: »Es wird ihnen kein bisschen weiterhelfen zu wissen, dass Sie wie Betty McFauncy schreiben. Die Art von Schriftstellern, die Sie hier treffen, wird ›experimentelle‹ Prosa schreiben. Warum sie experimentieren und um was es genau bei diesen Experimenten geht, werden die meisten von ihnen nicht wissen.«

In destruktiven Gruppen werden keine Getränke angeboten. Dafür haben manche Teilnehmer*innen anschließend das Bedürfnis, sich zu betrinken, weil ihre Texte so gnadenlos kritisiert wurden. Einige Kritikpunkte können jedoch zu echten Verbesserungen anregen.

Allerdings sollte sich die Kritik auf den tatsächlichen Text beziehen und nicht auf eine ganz andere Geschichte abzielen – so wie es für Maler*innen hilfreich ist zu hören, was ihre Gemälde beim Betrachten auslösen (»Das Lächeln wirkt so geheimnisvoll!«), im Gegensatz zu Empfehlungen wie: »Mal‘ doch einen röhrenden Hirsch dazu. Bestimmt mag Mona Lisa Hirsche.«

Aber wer keine destruktive Gruppe findet und doch mit Onkel Harry vorliebnehmen muss, der viel zu freundlich ist, um etwas zu kritisieren? Vielleicht bittet man ihn bei Kaffee und Kuchen, die Geschichte nachzuerzählen. Vermutlich wird er die Stellen auslassen, die für die Handlung irrelevant sind.

Umgekehrt kann es auch aufschlussreich sein, die eigene Geschichte zu erzählen (nicht Onkel Harry, denn der kennt sie ja bereits) und darauf zu achten, welche Stellen nur stockend oder gar nicht vorkommen.

Das ist fast so hilfreich wie eine destruktive Gruppe.

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