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alternative Fakten

Besonders gut kommt er nicht weg, der Wolf im Märchen. Mit ihrem Buch »Alles nur Märchen? Professor Wolfy macht den Faktencheck« gibt ihm die britische Autorin Catherine Cawthorne eine Chance, den diffamierenden Behauptungen aus den Märchenbüchern auf den Grund zu gehen. In der Einleitung deutet er bereits an, dass er sein Image aufpolieren will und unterschreibt mit »wissenschaftlichen und logischen Grüßen – der böse (aber nicht so böse, wie alle denken) WOLF.«

Würde ein Wolf Rotkäppchen und die Großmutter fressen wollen, wie ihm unterstellt wird? Zwar sind Wölfe keine Vegetarier, aber vor Menschen haben sie Angst. Sie fressen vor allem Huftiere wie Hirsche, Elche und Ziegen. Die sieben Geißlein sollten also tatsächlich lieber vorsichtig sein. Aber »Rotkäppchen und ihre Großmutter wären total sicher, es sei denn, sie würden eine Verkleide-dich-als-Elch-Party feiern«, versichert Professor Wolfy.

Auch die Geschichte von den drei kleinen Schweinchen wird untersucht. Dem Wolf gelingt es darin, ein Haus aus Stroh und ein Haus aus Holz wegzupusten. Nur am Haus aus Stein scheitert er. Professor Wolfy entlarvt den Mythos, dass ein Strohhaus leicht wegfliegt: Heuballen können sogar einem Hurrikan standhalten. Aber die entscheidende Frage ist: »Können Wölfe überhaupt pusten? Nein, können sie nicht! Ihre Lippen sind anders als die von Menschen. Sie können sie gar nicht so spitzen, wie sie müssten, um Luft herauszupressen.«

Wieder ist der Wolf entlastet. »Jetzt weißt du, was wirklich und wissenschaftlich passiert ist. Ich habe nie eine Großmutter gefressen oder kleine Schweinehäuser umgepustet. Das sind alles Lügen.« Oder »alternative Fakten«, wie das Unwort des Jahres 2017 hieß. Genaugenommen handelt es sich dabei auch gar nicht um Fakten, sondern um Un-Fakten. Denn Fakten sind ja nachweisbare Sachverhalte.

Doch beim Nachweis von Fakten steht der Bestätigungsirrtum im Weg. Die meisten Menschen suchen eher nach Hinweisen, die ihre eigenen Thesen bestätigen, und nicht nach solchen, die ihnen widersprechen: »Der Bestätigungsirrtum ist weit verbreitet. Niemand ist davor geschützt, nicht einmal die Wissenschaftler, die dazu forschen. Ein wichtiges Prinzip der Wissenschaft ist daher die Falsifizierbarkeit, also die Widerlegbarkeit von Theorien. Das hat der österreichische Philosoph Karl Popper gezeigt. Gerade weil wir spontan nur nach positiven Belegen suchen, müssen wir uns dazu zwingen, bei jeder Annahme zuerst zu fragen, was dagegen sprechen könnte.« Das schreibt Karl Poppers Kollege Philipp Hübl in seinem Buch »Bullshit-Resistenz«. 

Er plädiert für das Fach Philosophie in der Schule: »Im Idealfall müsste also ›Bullshit-Resistenz‹, man könnte auch sagen ›Philosophie‹, ein Unterrichtsfach in Schulen und Universitäten sein. Darin könnte man, statt nur die Geschichte der Philosophie durchzugehen, die Methoden der Philosophie lernen: also die Grundwerkzeuge der Wissenschaftstheorie anwenden wie die Interpretation von Statistiken, logisches Schließen, Quellenkunde und Datenbankrecherche und trainieren, kognitive Irrtümer zu erkennen, Worthülsen zu entlarven und gründlich zu argumentieren.«

Das alles hilft beim Aufdecken von alternativen Fakten, aber auch gegen Gruppendruck und Verschwörungstheorien. »Um sich in der digitalen Zukunft zurechtzufinden, müssen Schüler nicht ganz schnell Programmieren lernen, sondern zuerst Nachdenken. So zeigen Studien, dass schon ein zweiwöchiger Kurs in Argumentationstheorie Jugendliche wappnet, nicht auf die Überredungstaktiken anderer Gruppenmitglieder hereinzufallen, die sie zum Rauchen und Trinken überreden wollen. Diese innere Vorbereitung funktioniert auch gegen Verschwörungstheorien. In einem Experiment hat man Probanden auf die faulen Argumente und Strategien von Klimagegnern vorbereitet, zum Beispiel, dass diese gerne anekdotische Einzelbeispiele nennen. Die Probanden ließen sich danach deutlich weniger verwirren und ablenken als die unvorbereitete Vergleichsgruppe.«

Anschließend können auch solche Fragen korrekt beantwortet werden: »Was ist gefährlicher: Hunde oder Wölfe? Intuitiv antworten wir: Wölfe. Sie wirken bedrohlich, und Hunde sind unsere treuen Begleiter. Im Jahr 2014 kosteten tollwütige Hunde 25000 Menschen das Leben, während Wölfe nur für zehn Todesfälle verantwortlich waren.« Vermutlich würde es Professor Wolfy gelingen, auch diese zehn Fälle falsifizieren.