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lebenslanges Lernen

»Wier habbn gerate Doitschschtunde«, steht auf der Postkarte. »Foll langweihlig, kahn ja schohn ales!« Noch im 20. Jahrhundert schien es durchaus realistisch zu sein, »schohn ales« zu können. Bildung galt als abgeschlossen, wenn die Schule, die Ausbildung oder ein Studium beendet war. Der Beruf blieb relativ stabil und wurde oft bis zum Ruhestand ausgeübt. Veränderungen kamen langsam und schrittweise, so dass das Ausbildungswissen nahezu für ein ganzes Berufsleben ausreichte. Dadurch war das Lernen auf die Jugendzeit begrenzt und an Institutionen gebunden.

Mit der Digitalisierung und der Globalisierung veraltet Wissen immer schneller. Bildung wird nicht mehr als Phase verstanden, sondern als lebenslanger Prozess. Neben Weiterbildungskursen und Lernplattformen stehen informelle Tools wie Duolingo, Youtube oder Podcasts zur Verfügung.

Wissen ist zur wichtigen Ressource geworden und die Fähigkeit zu lernen zur Schlüsselkompetenz. Doch nicht nur berufliche Fertigkeiten werden erworben. Bildung ist laut Philipp Hübl auch ein wesentlicher Faktor für moralischen Fortschritt: »Die Anfälligkeit für populistische Parteien befindet sich bei Deutschen mit niedriger und mittlerer Bildung über dem Durchschnitt, bei Hochgebildeten darunter. Da der Bildungsstand nicht unmittelbar von den emotionalen Dispositionen abhängt, ist es naheliegend, dass man mit der Erziehung ein progressives Emotionsprofil erworben oder als Nebeneffekt emotionale Selbstkontrolle erlernt hat. Noch wahrscheinlicher ist, dass man eingesehen hat, dass Fairness und Mitgefühl vernünftig und allgemein geboten sind, weil man sie auch von anderen für sich selbst erwartet.«

Entscheidend sei nicht das Faktenwissen. »Mit der richtigen Bildung kann man einen analytischen Denkstil trainieren. Während das intuitive Denken schnell, emotional und automatisch ist, fordert das analytische Denken (auch rationales oder kritisches Denken genannt) aktive Aufmerksamkeit und ist daher langsam und anstrengend, kann jedoch automatisierte Prozesse zügeln oder sogar stoppen.« Dies entspricht Daniel Kahnemans Unterscheidung zwischen einem schnellen und einem langsamen Denkstil:

Daniel Kahneman beschreibt in seinem Buch »Schnelles Denken, langsames Denken« das System 1, das automatisch und ohne Anstrengung abläuft und das System 2. Es ist bewusst, logisch und benötigt Konzentration. Beide Systeme sind wichtig. System 1 hilft uns, schnelle Urteile zu fällen und Routineaufgaben zu lösen. Es kann aber zu Denkfehlern führen, weil es oft auf Vereinfachungen oder Vorurteile zurückgreift. System 2 kommt zum Einsatz, wenn wir komplexe Probleme analysieren oder Entscheidungen gründlich abwägen müssen.

Im Alltag wechseln wir zwischen diesen beiden Systemen, aber Menschen unterscheiden sich darin, welchen Denkstil sie bevorzugen. »Anhand der Denkstile kann man die politischen Ausrichtungen sogar besser vorhersagen als anhand von Auffassungen über Wirtschaftspolitik, die man traditionell für die Zuordnung der Lager heranzieht. Besonders Rechtsradikale und andere Extremisten sind mehr von Emotionen geleitet, verlassen sich weniger auf Statistiken und sind somit anfälliger für ›gefühlte Wahrheiten‹, selektive Wahrnehmung und weitere Formen der Selbsttäuschung. Diese Denkfehler sind natürlich auch dem progressiven Lager nicht fremd, treten dort aber insgesamt seltener auf.«

Ein entscheidender Faktor ist Offenheit. »Ein niedriger Wert bei Offenheit lässt Menschen vor Vielfalt zurückschrecken und bringt auch Starrsinn im Urteilen mit sich.« Dagegen trägt Offenheit für Neues dazu bei, dass das Lernen nicht »foll langweihlig« wird.