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Lernen aus Erfahrung
Das Gehirn hat so viel Spaß am Lernen, dass es sich kaum eine Lerngelegenheit entgehen lässt. Lernen geschieht mal bewusst und explizit, mal nebenbei und implizit. Es beschränkt sich nicht auf Schule, Studium oder Fortbildungen, sondern findet auch im Alltag statt: Durch Gespräche, Beobachtungen oder beim Nachdenken. Das ist die gute Nachricht. Aber das garantiert noch keine klugen Einsichten. Denn was wir lernen, hängt davon ab, wie wir unsere Erfahrungen deuten.
Wenn der Grund für ein negatives Ereignis bekannt ist, lässt es sich in Zukunft vermeiden. Wenn dagegen die Sterne oder Freitag der 13. verantwortlich gemacht werden, dann wird vor allem Aberglaube gelernt. Diese Attribution verhindert, beim nächsten Mal anders zu handeln, denn schuld sind ja die Sterne oder der Wochentag. Während die Sterne gleichmütig die Rolle als Sündensteinbock oder Sündenwidder ertragen, wird es heikel, sobald andere Menschen involviert sind. Sie wollen verständlicherweise nicht die Verantwortung für alle Konflikte und Missverständnisse übernehmen.
Das Gehirn sucht nach Mustern und Erklärungen. Es will verstehen, warum etwas passiert. Wenn es sich einmal eine Erklärung zurechtgelegt hat – egal wie absurd – neigt es dazu, daran festzuhalten. Dagegen braucht echtes Lernen Offenheit für Neues und die Bereitschaft, eigene Denkmuster in Frage zu stellen. Dann können wir aus jedem Tag etwas Wertvolles mitnehmen. Andernfalls lernen wir zwar auch, aber unter Umständen nur, wie man sich im Kreis dreht. Wir können durch Erfahrung klüger werden oder starrer, je nach Attribution. »Erfahrung heißt gar nichts«, schrieb der Schriftssteller Kurt Tucholsky, »Man kann eine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.«