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Informationsüberladung
Wir sind umgeben von Informationen, die uns ganz persönlich anzusprechen scheinen: Aufforderungen, Anleitungen, Aufgaben, Unterhaltung. Das alles wirkt wichtig und relevant und verheißungsvoll.
»Sprachforscher gehen davon aus, dass in einer Wochenzeitung von heute mehr Informationen über die Welt stehen, als ein Bauer im Mittelalter in seinem ganzen Leben hatte«, schreibt der Neurologe Volker Busch. »Die Verfügbarkeit heutiger Informationen übersteigt bei Weitem die Möglichkeit, sie zu nutzen. Man spricht in diesem Zusammenhang von ›Informationsüberladung‹. Eine Folge der Überladung ist, dass wir geistig zwar überall ein bisschen sind, aber nirgends mehr richtig. Wir beobachten unsere Umgebung schlechter und speichern die Erlebnisse und Erfahrungen weniger nachhaltig.«
Welche Filter können unser Gedächtnis vor dieser Überstimulation schützen? »In einer reizdurchfluteten Welt wird die kluge Auswahl von Informationen zunehmend wichtiger, um das Wichtige nicht zu übersehen, das Relevante im Gedächtnis zu behalten und das Gute zu genießen.« Will man den Zusammenhang zwischen Informationsmenge und Informationsverarbeitungsleistung graphisch darstellen, dann erhält man ein umgekehrtes U: Zuerst steigt die Leistung an, doch dann kommt es zu einem deutlichen Abfall der Gedächtnisleistung. »Vergesslichkeit kann ganz grundsätzlich durch verschiedene Faktoren im Alltag entstehen, darunter Müdigkeit, Erschöpfung und ein Mangel an Motivation. Ebenso ist ein hohes Maß an Stress typischerweise mit einer schlechteren Merkfähigkeit verbunden, denn bei anhaltenden Belastungen schüttet Ihre Nebennierenrinde Kortisol aus, wodurch die Bildung von Gedächtnisinhalten verschlechtert wird.«
Die Lösung klingt konventionell, geradezu banal: Üben. »Denn abgesehen von einer häufigen Überladung unseres Arbeitsgedächtnisses im beruflichen und privaten Alltag gibt es noch einen zweiten Grund für das nachlassende Gedächtnis: Wir trainieren unsere Speicherfunktion kaum mehr. Tatsächlich gehört die Merkfähigkeit leider zu denjenigen geistigen Leistungen, die schnell verkümmern, wenn wir sie nicht üben. Dafür können wir umgekehrt unsere Merkfähigkeit sehr gut entwickeln, wenn wir sie im Alltag ab und an etwas fordern. Die Auslagerung von immer mehr Wissen in Bücher und ins Internet macht nachgewiesenermaßen gedächtnisfaul. Dieses Prinzip ist als ›Cognitive Offloading‹ bekannt – also die menschliche Neigung, sich Dinge nicht so gut zu merken, die irgendwo gespeichert sind und bei Bedarf nachgesehen werden können.«
Wenn die kanadische Schriftstellerin Janel Comeau schreibt: »Hey, sorry, dass ich deine Nachricht übersehen habe. Mein Gehirn ist damit beschäftigt, eine unaufhörliche 24/7-Flut an Informationen zu verarbeiten – obwohl es eigentlich nur dafür gemacht ist, Beeren in einer Höhle zu sammeln«, dann können das viele überforderte Menschen nachvollziehen. Doch ziehen sie nicht unbedingt Konsequenzen daraus.
Andrew Przybylski von der University of Essex stellten fest, dass es das Gefühl von Nähe, Vertrauen und Verständnis beeinträchtigte, wenn während eines Gesprächs zwischen zwei Proband*innen die Smartphones sichtbar um die Aufmerksamkeit ihrer Besitzer*innen buhlten. Das überrascht nicht. »Im Rahmen einer Studie empfanden es 87 % der befragten Menschen als störend, wenn andere bei Gesprächen oder einem Meeting ihr Handy konsultierten; demgegenüber registrierten nur 59% der Befragten den Störfaktor, wenn es sich um ihr eigenes Handy handelte.«
Die Folgen von handyfreien Gesprächen sind verblüffend: »Ihre selektive Aufmerksamkeit schenkt im zwischenmenschlichen Kontakt eine besonders schöne Form der Wertschätzung. Und Sie schulen dabei auch Ihr Einfühlungsvermögen, denn wenn Sie sich gezielt auf Gefühle und Gedanken eines anderen einlassen, zeigen Sie Verständnis, Einsicht und Rücksicht.«