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kognitive Verzerrungen

Gute Mathematikkenntnisse helfen dabei, Daten besser zu analysieren. Theoretisch. Wenn es darum geht, mit bedeutungslosen Zahlen zu rechnen, sind tatsächlich mathematische Fähigkeiten entscheidend. Doch den Organisationspsychologen Adam Grant interessierte die Frage, was passiert, wenn es sich um politisch relevante Daten handelt, die starke Gefühle auslösen wie etwa die Waffengesetze in den USA. »Als erfahrener quantitaver Analyst werden Sie die Ergebnisse genauer interpretieren – solange sie Ihre Überzeugungen unterstützen. Steht das empirische Muster jedoch im Widerspruch zu Ihrer Ideologie, sind mathematische Fähigkeiten kein Vorteil mehr, sondern eine Belastung.«

In dieser Situation geht es nicht mehr um das Können, sondern um das Wollen. »Mentale Stärke garantiert keine geistige Beweglichkeit. Egal, wie intelligent Sie sind, wenn es Ihnen an der Motivation fehlt, Ihre Meinung zu ändern, werden Sie viele Gelegenheiten verpassen, noch einmal nachzudenken. Forschungen zeigen: Je besser Sie bei einem IQ-Test abschneiden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie auf Stereotype hereinfallen, weil Sie schneller Muster erkennen. Und neuere Experimente legen nahe: Je intelligenter Sie sind, desto mehr haben Sie unter Umständen damit zu kämpfen, Ihre Überzeugungen zu aktualisieren.«

Das widerspricht der Hoffnung, Bildung helfe gegen Vorurteile: »Je besser Sie rechnen können, desto spektakulärer versagen Sie bei der Analyse von Mustern, die Ihren Ansichten widersprechen. Handelte es sich um Liberale, waren die Mathegenies schlechter als andere darin, Beweise für das Funktionieren von Waffenverboten zu bewerten. Handelte es sich um Konservative, waren sie schlechter darin, Beweise für das Funktionieren von Waffenverboten zu bewerten.«

Dieses Phänomen ist gut erforscht. »In der Psychologie gibt es mindestens zwei Bias (kognitive Verzerrungen), die die treibende Kraft dieses Musters bilden. Eines ist der Bestätigungsfehler: zu sehen, was wir zu sehen erwarten. Das andere ist die Erwünschtheitsverzerrung: zu sehen, was wir sehen wollen. Diese Bias hindern uns nicht nur daran, unsere Intelligenz einzusetzen. Sie können unsere Intelligenz zu einer Waffe gegen die Wahrheit machen.« Eine Waffe für oder gegen das Waffenverbot.

Wer sich mit kognitiven Verzerrungen auskennt, kann sogar das als Waffe einsetzen. »Mein Lieblings-Bias ist das ›Ich bin nicht voreingenommen‹-Bias, das Menschen glauben lässt, dass sie objektiver sind als andere. Wie sich zeigt, geraten schlaue Menschen eher in diese Falle. Je intelligenter man ist, desto schwieriger kann es sein, die eigenen Grenzen zu sehen.«