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Marshmallowtest

Der Versuch ist weltbekannt: Ein Kind sitzt mit einem süßen Marshmallow in einem kahlen Raum ohne Ablenkungen. Der Versuchsleiter Walter Mischel verlässt den Raum, und wenn es dem Kind gelingt, 15 Minuten lang zu widerstehen, wird es durch ein zweites Marshmallow belohnt.

Die Lebenszeit der Marshmallows betrug im Durchschnitt nur eine bis eineinhalb Minuten, doch einige Kinder konnten bis zur Rückkehr des Versuchsleiters widerstehen. Der Marshmallowtest soll die Fähigkeit messen, auf Belohnungen zu warten, also den sogenannten Belohnungsaufschub. Damit lassen sich Impulse unterdrücken, um langfristige Ziele zu erreichen.

Walter Mischel kontaktierte zehn und vierzig Jahre später die Getesteten und stellte fest, dass der Belohnungsaufschub im Vorschulalter mit Gesundheit und Erfolg im Erwachsenenalter korrelierte. Die Willensstarken erreichten bessere Bildungsabschlüsse und nahmen weniger Drogen. Das klingt plausibel.

Fünf Jahrzehnte später wiederholten Tyler Watts, Greg Duncan und Haonen Quan von der New York University das Experiment und kamen zu einem anderen Ergebnis: Nicht die Willensstärke sei entscheiden für den Belohnungsaufschub und den späteren Erfolg im Leben, sondern die Herkunft. Kinder aus armen Familien mit einem unsicheren Alltag neigen dazu, das Marshmallow sofort zu essen, weil sie sich auf Versprechen nicht verlassen.

Bereits im ursprünglichen Test von Walter Mischel spielte das Thema Vertrauen eine Rolle: »Wir haben auch einmal getestet, was passiert, wenn man den Kindern das versprochene zweite Marshmallow nicht gibt. Sie lernen dann schnell, dass nur sicher ist, was sie im Mund haben. Dann wartet keiner mehr.«

Neben Willensstärke misst der Marshmallowtest also auch, ob sich die Kinder auf ihre Bezugspersonen verlassen können, wie vertrauenswürdig der Versuchsleiter ist oder ob sie Marshmallows überhaupt mögen.

Tyler Watts beruhigt: »Wenn Sie Vater oder Mutter eines Vierjährigen sind und der greift ohne zu warten nach dem Marshmallow, sollten Sie sich keine allzu großen Sorgen machen.«