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Gehirnjogging

Mal wird das Gehirn mit einem Computer verglichen, mal mit einem Muskel. Die Konsequenzen sind unterschiedlich: Ein Computer verfügt über einen begrenzten Speicherplatz, so dass Altes gelöscht wird, um Platz für Neues zu schaffen. Ein Muskel dagegen wird trainiert, damit er nicht verkümmert.

Gehirnjogging klingt dann nach einer sinnvollen Maßnahme. Doch funktioniert das? Der Biologe Martin Korte schreibt: »Die meisten Übungen haben lediglich einen Effekt auf einzelne Areale des Gehirns. Dies gilt auch für das Gros der Spielekonsolen, die den Begriff ›Gehirnjogging‹ im Untertitel führen. Sie trainieren nur Spezialfähigkeiten, in denen man, je häufiger man die Aufgaben ausführt, besser wird: Wer Zahlenreihen auswendig lernt, kann nach einer Übungsphase besser Zahlen memorieren. Wer Wortlisten auswendig lernt, wird besser darin, Wörter zu erinnern – aber auf andere kognitive Tätigkeiten wirken sie sich nicht aus.«

Auch der Neurowisschenschaftler Henning Beck beschäftigt sich in seinem Buch »Hirnrissig. Die 20,5 größten Neuromythen und wie unser Gehirn wirklich tickt« mit dem Gehirnjogging. »Hirnjogging macht schlau« ist sein Mythos Nummer 9. Dabei erscheint Hirnjogging plausibel. »Wer dieses Buch bisher aufmerksam gelesen hat (und das hoffe ich doch sehr), hat gerade erfahren dass das durchaus sinnvoll ist. Schließlich passt sich das Gehirn an die Umweltreize an verändert seine Strukturen, die Kontakte zwischen den Nervenzellen. Das Gehirn zu trainieren, damit es stärker und besser wird, ist ein äußerst verlockender Gedanke. Kein Wunder, dass sich geradezu eine ›Trainingsindustrie‹ gebildet hat, die verspricht, die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu erhöhen, in dem man es individuell fordert. ›Hirnjogging‹ ist das Zauberwort, und so werden Computerprogramme und Rätselhefte mit den Versprechen angepriesen, dass man mit ihnen seine Merk- und Konzentrationsfähigkeit verbessert, sein räumliches Vorstellungsvermögen fördert, seine Arbeitsgeschwindigkeit erhöht, einfach intelligenter wird. Tolle Sache!«

Doch die Hirnjogging-Übungen konzentrieren sich auf einen kleinen Teilbereich, während bei Intelligenz und Kreativität viele Fähigkeiten zusammenspielen. »Die zentrale Frage, wenn man das Phänomen ›Gehirnjogging‹ wissenschaftlich untersucht, lautet daher: Lässt sich das Training mit einem Computerprogramm auf die allgemeine Leistungsfähigkiet übertragen?«

Henning Becks Fazit fällt ernüchternd aus: »Vergessen Sie die Mär vom Gehirnjogging. Wenn es Ihr Ziel ist, Ihre Hirnleistung zu verbessern, tun Sie es im wahren Leben (und nicht vor einem Computerbildschirm). Sich mit Freunden treffen, Sport machen, reden, kochen, Musik spielen, reisen, das fördert Ihr Gehirn allemal mehr als jedes ›individuelle Gehirn-Trainings-Programm nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.‹«

Verbesserte Leistungen lassen sich durch den Placeboeffekt erklären: »Ein weiterer Effekt des Gehirnjoggings darf nicht unterschätzt werden: Es motiviert. Wenn ich schon weiß, dass ich gerade das ›effektivste computergestützte Gehirntraining mit modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen‹ absolviert habe, komme ich mir wichtig und gefördert vor. Gegenüber einer Kontrollgruppe schneide ich schon alleine deswegen besser ab, weil ich es mir einfach beweisen muss, dass das Training funktioniert hat. Soll ja nicht umsonst gewesen sein!« Wer das Gehirnjogging nutzt, traut sich mehr zu und gibt nicht so schnell auf.