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Gewohnheiten

An der Duke University in North Carolina werteten David Neal und Jeffrey Quinn Tagebucheinträge von Versuchspersonen aus und stellten fest: Bei 40 bis 45 Prozent der erwähnten Tätigkeiten handelte es sich um Gewohnheiten. Irgendwann wurden sie bewusst gelernt, bis sie automatisiert ablaufen.

In seinem Buch »Wir sind Gedächtnis. Wie unsere Erinnerungen bestimmen, wer wir sind« schreibt der Neurobiologe Martin Korte »Das Gewohnheitsgedächtnis beherbergt die neuronalen Wurzeln für unsere Neigungen, Gewohnheiten und Vorlieben genauso wie für unsere Süchte und Vorurteile. Weil es meist unbewusst und damit unbemerkt arbeitet, trägt es zu einem nicht geringen Teil zum Geheimnis der Intuition bei. Neben unseren bewussten autobiographischen Erinnerungen machen Gewohnheiten und Routinen einen wichtigen Teil unserer Persönlichkeit aus.«

Automatisiertes Erfahrungswissen hilft dabei, schnelle Entscheidungen zu treffen. »Je mehr wir auf einem Gebiet wissen, umso differenzierter nehmen wir die Welt wahr, und gleichzeitig wird der Aufwand, den wir für diese differenzierte Weltsicht aufwenden müssen, geringer. Intuition hat nichts mit dem berühmten siebten Sinn oder gar göttlicher Eingebung zu tun.« Anders als ein Computers verfügt das Gehirn nicht über einen beschränkten Speicherplatz. Mehr Wissen bedeutet nicht weniger Platz für Neues, sondern begünstigt die Wahrnehmung von Neuem: »Je mehr wir über die Welt wissen, umso differenzierter nehmen wir sie wahr und desto weniger ungerechtfertigte Vorteile entwickeln wir.«

Gewohnheiten und Gedächtnis beziehen sich auf die Vergangenheit und erscheinen damit wie ein Gegensatz zu Kreativität und Phantasie. Martin Korte sieht das anders: »Auf den ersten Blick scheinen Wissen, Gedächtnis und Lernen auf der einen Seite und kreatives wie schöpferisches Denken auf der anderen Seite in einem nicht gerade harmonischen Verhältnis zueinander zu stehen. Und doch gibt es einiges, was Gedächtnisprozesse im Gehirn und Kreativität miteinander gemeinsam haben.«

Was bedeutet Kreativität überhaupt? Das lateinische »creatio« heißt Schöpfung, und es geht darum, Neuartiges zu erschaffen. Grundlage dafür ist das Wissen auf einem Gebiet: »Es sind Gedächtnisfähigkeiten, die es uns erlauben, riesige Mengen an Daten zu verarbeiten und eine hohe Informationsdichte auf einem gewissen Tätigkeitsgebiet zu erreichen. Daraus können wir wahrhaft Neues erschaffen – wobei Neuartiges und Altes zusammenarbeiten müssen, bevor etwas Neues entsteht, dem wir vor eine bestimmten kulturellen Hintergrund eine hohe Qualität zusprechen.«

Wissen ist also eine Voraussetzung für Kreativität, aber reicht nicht aus. »Ein Experte ist nicht automatisch kreativ. Erst das Vermögen und die Bereitschaft, neue Muster aus bekanntem Wissen zu generieren, erlaubt es, in neue, unerforschte Bereiche vorzustoßen. Das erst lässt uns zu originellen, überraschenden Lösungen kommen, kurz, kreativ sein.« Dafür sind zusätzlich zu den Denkgewohnheiten und dem Expertenwissen Neugierde, Experimentierfreudigkeit und Offenheit nötig.

Eine Veränderung der Lerngewohnheiten hilft außerdem, das Gelernte in verschiedenen Kontexten abzurufen. »Das Mischen von Fertigkeiten, Konzepten oder Lernhinhalten während einer Lernphase hilft dabei, die Unterschiede zwischen den Lernelementen deutlicher werden zu lassen und jedes einzelne für sich besser zu verstehen.«