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Konsens
Menschen neigen dazu, von sich auf andere zu schließen und überschätzen die Übereinstimmung mit anderen. Dieser Denkfehler, der »Falsche-Konsens-Effekt«, wurde im Jahr 1977 an der Stanford University erforscht: Studierende wurden gebeten, ein Werbeschild über den Campus zu tragen und sollten einschätzen, wie ihre Kommiliton*innen auf diese Bitte reagieren würden. Das Resultat: Wer selbst bereit war, die Bitte zu erfüllen, glaubte das auch von 62 Prozent der anderen. Wer selbst ablehnte, schätzte eine Mehrheit von 67 Prozent Widerwilligen.
Die vermutete Minderheit wurde systematisch abgewertet: Sie galten entweder als »verklemmt ohne Sinn für Humor« oder aber »Leute, die sich immer in den Mittelpunkt stellen müssen.«
Gerade bei Splitterparteien ist dieser Effekt zu finden. Auch in der Wirtschaft sind Unternehmen von ihrem durchschlagenden Erfolg überzeugt.
Mai Thi Nguyen-Kim erklärt als ersten rhetorischen Trick, wie die eigene Meinung angeblich von der schweigenden Mehrheit geteilt wird. Solange sie schweigt, lässt sich dieser ausgedachten Mehrheit alles zuschreiben.
Ein Video zeigt, wie ausgerechnet der tellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger poltert »Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss«. Auch gewählte Amtsträger*innen sehen sich gerne als Opfer von »denen da oben«, obwohl sie selbst »da oben« sind.
Warum ist dieser Denkfehler so verbreitet? Der Schriftsteller Rolf Dobelli vermutet: »Wer dank des Falschen-Konsens-Effekts mutig und überzeugend auftrat, schindete damit Eindruck, schanzte sich überproportional viele Ressourcen zu und erhöhte damit die Wahrscheinlichkeit, seine Gene den nachfolgenden Generationen zu vererben.«
Und anschließend kann er sich als Kämpfer für die schweigende Mehrheit und gegen »die da oben« darstellen.