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Ad-hominem-Argumente

Was der britische Neurologe John Hughlings Jackson im Jahr 1879 schrieb, klingt wie ein Loblied auf die Beschimpfung: »Es heißt, dass derjenige, der als Erster seinen Mitmenschen beschimpfte, statt ihm wortlos den Schädel einzuschlagen, das Fundament für die Zivilisation gelegt hat.«

So wurde die Beschimpfung zur Lebensrettung.

Heutzutage sieht Wikipedia das kritischer: »Als beschimpfendes ad hominem (engl. abusive ad hominem) kann diejenige Argumentationsweise bezeichnet werden, bei der die Person des Streitgegners unmittelbar angegriffen wird, um alle ihre Behauptungen zurückzuweisen. Die Person wird als gänzlich ungeeignet dargestellt, sich an der Debatte zu beteiligen, oder ihr werden Motive unterstellt, eine offene Auseinandersetzung auf argumentativer Ebene durch Lüge oder Täuschung zu unterlaufen, diese Argumentation weist das Muster auf: »›X ist ein schlechter Mensch, deshalb sollten wir ihm keinen Glauben schenken.‹«

Der Philosoph Nikil Mukerji stellt in einem Video Paul Grahams »Hierarchy of Disagreement« vor, der zwischen Beschimpfungen und Ad-hominem-Argumenten unterscheidet. Auf die Frage nach Beispielen berichtet er, dass er »Ökonom« genannt wurde, was ein Philosoph durchaus als beleidigend empfinden kann. Ein klassisches Beispiel für das Ad-hominem-Argument ist der Wissenschaftler, der überzeugend Studien zu den Gefahren des Rauchens vorlegt, aber selbst Raucher ist. Werden die Studien dadurch wertlos? Da die Studien stichhaltig sind, haben sie nichts mit der Person zu tun.

Ad-hominem-Argumente sind so verbreitet, dass sie kaum noch problematisch wirken: Behauptungen wie »Als Frau kann sie das nicht beurteilen« oder »Männer können da nicht mitreden« sind so irrelevant wie der Hinweis, ob die Argumente von Gen X, Y, Z kommen oder sogar von einem Boomer. Es wird dann nicht mehr über das Argument gesprochen, sondern über die Person.

Doch warum sind diese Scheinargumente so beliebt? Arthur Schopenhauer empfiehlt sie sogar: »Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob.« Das könne jeder, während nicht jeder in der Lage sei, sachlich zu argumentieren.