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Entwicklungsquadrat

Unser Gehirn ist ein echter Profi im Mustererkennen. Bereits einige typische Merkmale genügen ihm, um ein komplexes Muster zu ergänzen. In der Vergangenheit war das sinnvoll. Der Philosoph Albert Newen stellte fest: »Dass wir bestimmte Inhalte wahrnehmen, ist evolutionär so zentral, dass es auch schon bei Kleinkindern ohne Begriffsbildung und Sprache entwickelt ist.«

Dagegen empfiehlt der Familientherapeut Ben Furman, weniger nach der Regel und mehr nach der Ausnahme zu suchen. Wenn sich Eltern über den regelmäßigen Medienkonsum ihrer Kinder beklagen, dann schlägt er vor, auf die Zeiten zu achten, in denen sie das Handy aus der Hand legen. Was tun sie stattdessen? Diese Ausnahme gibt einen Hinweis darauf, welche Fähigkeit nötig sind, um noch mehr erwünschte Ausnahmen zu schaffen.

Auch ein Blick auf das Gegenteil bietet einen aufschlussreichen Ansatz, insbesondere bei pauschalen Problembeschreibungen wie »Schüchternheit«. Der Psychologieprofessor Friedemann Schulz von Thun greift das sogenannte Entwicklungsquadrat auf und spricht von »Schwesterntugenden«: Zu jeder problematischen Eigenschaft gibt es einen positiven Gegensatz, beispielsweise ist das der Mut für die Schüchternheit. Die Schwesterntugend könnte die Vorsicht sein und der negative Gegensatz dazu der Leichtsinn. Anstatt von der Schüchternheit ins andere Extrem, den Leichtsinn, zu fallen, ist die Balance zwischen den Schwesterntugenden das Ziel.