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Warum-Fragen
Kinder lieben Warum-Fragen. Wenn sie selbst die Fragen stellen. Sollen sie dagegen die Warum-Fragen der Erwachsenen beantworten, dann klingen die nicht unbedingt wie echte Fragen, sondern eher wie Schimpfen.
Und so sind sie auch oft gemeint: »Warum hast du deinen Turnbeutel vergessen?« »Warum magst du kein Gemüse?« »Warum hast du deine Mathehausaufgaben nicht gemacht?«
Diese Fragen sind auch deshalb keine echten Fragen, weil die Kinder keine Antwort darauf geben können. Selbst Wissenschaftler*innen gelingt es nur ungefähr zu erklären, warum wir mehr als nur den Turnbeutel vergessen und Schokolade lieber mögen als Rosenkohl. Bloß auf die Frage nach den Hausaufgaben gibt es eine eindeutige Antwort:
»Mein Hund hat sie gefressen.«
»Aber du hast doch gar keinen Hund!«
Die Antwort ist natürlich eine Ausrede, aber dazu werden Kinder gedrängt, wenn die Wahrheit nicht akzeptiert wird oder nicht bekannt ist.
Der Schriftsteller Rolf Dobelli vermutet: »Menschen sind ›weil‹-süchtig. Wir brauchen das Wort, selbst wenn es nicht stichhaltig ist.« Er beruft sich auf ein Experiment der Harvard-Professorin Ellen Langer. Sie wurde an der Schlange vor dem Kopiergerät eher vorgelassen, als sie eine Begründung nannte: »Würden Sie mich bitte vorlassen, denn ich möchte Kopien machen.« Natürlich möchte sie Kopien machen. Alle in der Schlange wollen Kopie machen. Selbst die unsinnigste Begründung reicht aus.
Rolf Dobelli rät: »Werden Sie nach dem Grund gefragt, warum Sie eine Frist verpasst haben, antworten Sie am besten: ›Weil ich leider noch nicht dazu gekommen bin.‹ Eine redundante Information (denn wären Sie dazu gekommen, hätten Sie die Frist ja eingehalten), aber eine oft akzeptable.«
Warum-Fragen verführen zum Grübeln darüber, was mit dem Kind nicht stimmt. Deshalb rät Ben Furman: »Eine Methode besteht darin, erklärungssuchende Warum-Fragen durch kompetenzorientierte Warum-Fragen zu ersetzen. Letztere verlangen nicht nach Antworten, warum sich das Kind unpassend verhält. Sie versuchen vielmehr, Antworten darauf zu finden, warum es für das Kind vorteilhaft wäre zu lernen, wie es sich besser bzw. wünschenswerter Weise verhalten kann.«
Welchen Vorteil hat es, den Turnbeutel mit zum Turnen zu bringen?
Warum ist Gemüse gut für Menschen und Mathehausaufgaben sind gar nicht gut für Hunde?
»Aber ich habe doch gar keinen Hund!«
Dann ist der nächste Schritt, das Warum der Mathehausaufgaben zu ergründen – oder sich doch noch einen Hund anzuschaffen. Warum? Weil Hunde Mathehausaufgaben fressen.