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Innovation

Der Mathematiker Gunter Dueck klingt pessimistisch. Seine Bücher heißen »schwarmdumm. So blöd sind wir nur gemeinsam« oder »Das Neue und seine Feinde«. Darin beschreibt er, dass Unternehmen gleichzeitig Innovation fordern und neue Ideen wie Störungen behandeln. »Großartige Ideen, die wir bewundern, sind im Nachhinein vollkommen genial. Das spüren wir deutlich und bewundern Ideen in unangemessener Weise. Wir haben vergessen, dass wir dieselben Ideen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung und Ausbreitung verrückt oder schlicht ›doof‹ fanden.«

Doof wirken auch manche Reaktion auf Neuheiten: Der Fotopionier Kodak hatte bereits im Jahr 1975 eine Digitalkamera erfunden. Um dem Kodakfilm keine Konkurrenz zu machen, wurde diese Erfindung jedoch geheim gehalten. Im Jahr 2012 meldete Kodak Insolvenz an.

Rückblickend lässt sich leicht erkennen, wie doof das war: »Wir alle erkennen die Idee in ihrer Konsequenz eigentlich erst, wenn sie uns lieb und teuer geworden ist. Die Zeit unserer Bedenken und unseres Dauermeckerns haben wir dann schon längst vergessen.«

Malcolm Gladwell schreibt in seinem Buch »Tipping Point: Wie kleine Dinge Großes bewirken können« über minimale Veränderungen, die Lawinen auslösen. Das lässt sich rückblickend leicht beschreiben, aber schwer vorhersehen.

»Bücher über Tipping Points studieren natürlich erst im Nachhinein, wie sich neue Ideen schlagartig ausbreiten und etablieren. Die Gretchenfrage ist immer, ob sich so ein Ausbreitungswunder im Vorhinein planen und erzeugen lässt. Geht das überhaupt? Und wenn ja, wie?«

Um die Illusion der Planbarkeit zu wahren, werden nicht nur zahlreiche Rezeptbücher geschrieben, wie sich Ideen produzieren lassen. Auch Innovationsworkshops sollen helfen. Gunter Dueck nennt sie Sargnägel der Innovation: »Für Zweifler und Nörgler gibt es ein gewisses Instrumentarium von Kreativitätsübungen, bei denen es eine überraschende Lösung gibt, an die normalerweise keiner denkt. Dabei bekommen die Teilnehmer immer wieder dieselben Trickbilder gezeigt, auf denen zum Beispiel manche eine junge Frau und andere eine alte sehen. Man muss eine Ravioli-Dose von oben anschauen, dann sieht man einen Kreis. Dann schaut man sie von der Seite an, es ist ein Rechteck! Oh Wunder, man kann Dinge von mehreren Seiten ansehen, da erscheinen sie jeweils anders.«

Die meisten Teilnehmenden kennen diese Beispiele bereits von früheren Workshops. Doch auch für Neulinge sei der Lerneffekt begrenzt: »Anmerkung aus der Lehre der Mathematik: Das Wichtigste im Studium ist es, ein paar hundert Mal ganz allein nach hartem Nachdenken bei schweren Übungsaufgaben ein ›Aha!‹ zu erzielen. Das kostet ein paar Tausend Stunden. Wenn Studenten nur nachdenken und sich dann die Lösung von anderen Starstudenten erklären lassen, rufen sie vielleicht auch ›Aha!‹, aber es ist nie ihr eigenes Aha. Diese Studenten üben nicht, sie verstehen nur im Nachhinein. Sie scheitern regelmäßig.«

Aha!

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