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Grübelei

Besonders geeignet für Kinder ist eine Technik, die »Externalisieren der Stimmen« genannt wird. Sie nutzt die Tatsache, dass es den meisten Menschen besser gelingt, sich von unfairen Vorwürfen anderer zu distanzieren als von den eigenen: Die Gedanken, die dem Kind Angst machen, werden einem Dritten in den Mund gelegt.

Beispielsweise äußert eine fiese Handpuppe die Vorstellungen, die das Kind (vermutlich) selbst hat und dann so kritisch wie möglich in Frage stellt. Manchmal ist jedoch gar nicht entscheidend, ob eine negative Überzeugung zutreffend ist oder nicht, sondern es geht um den Zeitpunkt: Ist es gerade jetzt nützlich, darüber nachzudenken?

Wer seine gesamte Aufmerksamkeit benötigt, während einer Prüfung oder bei einem öffentlichen Auftritt etwa, den lenken Grübeleien ab. Es kann durchaus lohnend sein, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen: Möglicherweise stellen Schüler*innen während ihrer Mathearbeit fest, dass sie unbedingt das schriftliche Multiplizieren wiederholen sollten. Diese Überlegungen helfen während der Arbeit jedoch nicht, besser zu rechnen, sondern verunsichern im Gegenteil.

Die Beschäftigung kann auf einen günstigeren Zeitpunkt verschoben werden. Und damit der Gedanke daran nicht in Vergessenheit gerät, wird er aufgeschrieben wie das Brot auf den Einkaufszettel. Brot ist wichtig, Brot kann Leben retten – aber nicht jetzt. Also soll die Handpuppe die Klappe halten, bis der Vortrag oder die Prüfung vorbei ist.

Kurt Tucholsky schreibt in seinen »Ratschlägen für einen schlechten Redner«: »Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Leute, um die Luft im Saale«. Damit beschreibt er die gefürchteten Redner*innen, die ihre Zuhörer*innen und deren Reaktionen völlig ignorieren und weiterreden, obwohl niemand mehr zuhört. Oder die nichts Neues zu sagen haben, getreu dem Motto: »Es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von mir«. Da wäre die Intervention einer unverblümten Handpuppe durchaus zu begrüßen: »Möchtest du nicht endlich zum Ende kommen? Du musst auch noch Brot kaufen – am besten jetzt sofort.«

Das andere Extrem ist eine Überbesorgtheit und das Bestreben, es allen zu jedem Zeitpunkt recht zu machen. Dann wird jedes Stirnrunzeln zum vernichtenden Urteil über den eigenen Vortrag, obwohl es vielleicht nur ein Zeichen von besonderer Konzentration ist.

Martin Seligman nennt eine einfache Entscheidungshilfe, wann Optimismus angebracht ist und wann eher Pessimismus: »Als oberste Richtlinie, wann man keinen Optimismus einsetzen sollte, gilt die Frage, welchen Preis das Scheitern in einer bestimmten Situation hat. Ist der Preis hoch, so ist der Einsatz von Optimismus die falsche Strategie. Die folgenden Beispiele zeigen, wann Optimismus unangebracht ist: Wenn ein Pilot vor der Frage steht, ob er das Flugzeug noch einmal enteisen soll; wenn ein Partygast überlegt, ob er sich nach einigen Drinks noch ans Steuer seines Autos setzen soll.«

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