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Kommunikation
»Höflichkeit ist eine Zier«, heißt es. Verzierungen sind zwar wünschenswert, aber verzichtbar. Gilt das auch für Höflichkeit? Die Managementprofessorin Christine Porath hat sich wissenschaftlich mit dieser Frage beschäftigt und ihr Buch »Mastering Civility: A Manifesto for the Workplace« genannt. Sie beschreibt, wie Unhöflichkeit das Gehirn außer Gefecht setzen kann.
Christine Porath und ihr Kollege Amir Erez teilten Collegestudent*innen in zwei Gruppen. Die eine wurde unhöflich behandelt, die andere nicht. Anschließend maßen die Forscher*innen mit unterschiedlichen Tests die Kreativität, Leistungsfähigkeit und Hilfsbereitschaft der Versuchsteilnehmenden. Selbst bei einmaligen, wenig intensiven Vorfällen konnten sich diejenigen nicht gut konzentrieren, die unhöflich behandelt worden waren. Sie wurden durch das belastende Erlebnis von ihrer Arbeit abgelenkt. Sie erzielten 33 Prozent schlechtere Ergebnisse bei Anagramm-Aufgaben und entwickelten 39 Prozent weniger kreative Ideen während einer Brainstorming-Aufgabe.
Diese Experimente zeigen, dass Unhöflichkeit kognitive Ressourcen raubt, Leistung und Kreativität beeinträchtigt und daran hindert, effektiv zu arbeiten. Selbst wer sein Bestes geben will, ist geistig abgelenkt. Christine Porath schreibt: »Vielleicht denken Sie, ich bin zu empfindlich und hätte einfach ›darüber hinwegkommen‹ sollen. Aber ist es wirklich möglich, Unhöflichkeit einfach zu vergessen? Auch meine Kolleginnen und Kollegen und ich haben uns diese Frage gestellt. Deshalb führten wir ein Experiment durch, bei dem die Teilnehmenden sich eine Reihe von Buchstaben merken sollten, die kurz auf einem Computerbildschirm erschienen. Anschließend bekamen sie Rechenaufgaben und sollten die Buchstaben in der richtigen Reihenfolge wiedergeben, die ihnen zuvor gezeigt worden waren. Wir stellten fest, dass diejenigen, die wir mit unhöflichen Worten beeinflusst hatten, deutlich größere Schwierigkeiten hatten, Informationen zu verarbeiten und sich zu erinnern. Sie erinnerten sich an 17 Prozent weniger Informationen, erzielten 86 Prozent schlechtere Ergebnisse bei den verbalen Aufgaben und machten 43 Prozent mehr Rechenfehler als diejenigen, die nicht mit Unhöflichkeit konfrontiert worden waren.«
Der Gedächtnisweltmeister Boris Nikolai Konrad wird regelmäßig gefragt: »Okay Herr Konrad, durch Anwendung von Gedächtnistechniken und Training sind enorme Gedächtnisleistungen möglich. Doch geht das nicht auch einfacher?« Zahlreichen Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln werden gedächtnissteigernde Wirkungen nachgesagt. Boris Nikolai Konrad ist skeptisch: »Zwar enthalten besagte Produkte meist keine bedenklichen Inhaltsstoffe, doch allein die Aussage ›Du musst etwas einnehmen, um dein Potenzial abzurufen‹ halte ich für gefährlich.« Dagegen ist Höflichkeit absolut frei von Nebenwirkungen und kostenlos noch dazu.