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fotografisches Gedächnis

Immer wieder überrascht der fiktive Physiker Sheldon Cooper seine Mitmenschen mit seinem außergewöhnlichen Gedächtnis. Sein Mitbewohner nennt es ein fotografisches Gedächtnis, aber Sheldon korrigiert: »›Fotografisch‹ ist nicht ganz korrekt. Ich habe ein eidetisches Gedächtnis, wie ich dir schon unzählige Male gesagt habe. Zum Beispiel erst letztes Jahr beim Mittagessen am 7. Mai. Du hattest Truthahn und hast dich darüber beschwert, dass er zu trocken sei.« Damit demonstriert er die Fähigkeit, sich an Details zu erinnern, die andere sofort vergessen.

Doch was ist der Unterschied zwischen einem fotografischen und einem eidetischen Gedächtnis? Zahlreiche Filme und Bücher handeln von Menschen mit fotografischem Gedächtnis, die sich alles perfekt und dauerhaft merken können, was sie gesehen haben. Der Begriff »eidetisch« kommt vom griechischen Wort »eidos«, was Bild oder Form bedeutet. Visuelle Informationen werden für wenige Sekunden oder Minuten behalten, so dass auch Details wiedergegeben werden können.

Der Gedächtnisweltmeister Boris Nikolai Konrad hat gelegentlich die Behauptung gehört: »Ich kenne aber die Person XY, die hat eins!«. Dagegen habe noch nie jemand gesagt: »Ich habe aber eins.« Bei Weltmeisterschaften im Gedächtnissport könnten diese Teilnehmenden punkten. »Gäbe es tatsächlich jemanden mit einem fotografischen Gedächtnis, müsste er die Gedächtnissportler locker besiegen können. Doch dieser Fall ist noch nie eingetreten.«

Mittlerweile erforscht Boris Nikolai Konrad als Neurowissenschaftler das Gedächtnis und ruft in seinem Buch »Superhirn. Gedächtnistraining mit einem Weltmeister« dazu auf, sich bei ihm zu melden: »Wenn Sie ein fotografisches Gedächtnis haben, würde ich mich freuen, wenn Sie sich bei mir melden. Ich würde Sie dann gerne für unsere Studien nach München einladen.«

Bereits Ende der 1980er Jahre gab es in England einen solchen Aufruf in einer BBC-Radiosendung. Einige Personen meldeten sich, zehn wurden eingeladen. Doch auch hier war das Ergebnis enttäuschend, denn es stellte sich heraus, dass bei keiner einzigen Person »die außergewöhnlich guten Gedächtnisleistungen über mehrere Aufgaben über der Norm lagen. Letzteres ausschließlich in Bereichen, mit denen sich diese Personen zuvor intensiv beschäftigt hatten.«

Boris Nikolai Konrad kommt zu dem Resultat: »Ein fotografisches Gedächtnis gibt es nicht.« Daraus ergibt sich die mutmachende Schlussfolgerung: Gedächtnis lässt sich erlernen.